Hallo Reader,
es gibt Tage, an denen ich mir die Decke über den Kopf ziehe und denke: „Ach, heute lass ich das Marketing mal sein.“
Kein Post, kein Newsletter, gar nichts. Doch dann schleicht sich dieses schlechte Gewissen ein: „Du solltest doch eigentlich …“
Das Problem ist: Wenn Content-Marketing nur dann passiert, wenn gerade Zeit, Lust oder Inspiration da ist, bleibt es unregelmäßig.
Genau darüber habe ich mit Katrin Gildner gesprochen. Sie sagt: „Einmal die Strategie aufsetzen und dann läuft es auch mit weniger Zeit.“
Ihr Ansatz: Content-Recycling und Microcontent. Besser also, ein großes Thema gründlich aufzubereiten und daraus kleinere Stücke abzuleiten, als immer wieder bei null anzufangen.
Das klingt simpel, macht aber den Unterschied.
Besonders hängen geblieben bin ich an ihrer Erinnerung, dass wir viel öfter recyceln dürfen, als wir denken. Niemand sitzt da draußen und zählt mit, wie oft ein Blogartikel schon verwendet wurde.
Im Gegenteil: Viele merken es gar nicht.
Wenn du also auch manchmal die Decke über den Kopf ziehen willst, liegt die Lösung vielleicht nicht darin, mehr zu posten, sondern schlauer.
Im Interview erzählt Katrin, wie das genau funktioniert und wie du sofort starten kannst.
Viel Spaß beim Lesen!
Beste Grüße
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Steffi Kowalski
Content Managerin und Content Strategin
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Interview
Du sagst, dass Solopreneur*innen und kleine Teams mit wenig Budget und Ressourceneinsatz genauso gutes Content Marketing machen können. Wie machst du das, dass Content Recycling und Microcontent strategisch eingebaut werden?
Eine klare Strategie ist alles, vor allem wenn man wenig Zeit hat. Denn wenn Solopreneur*innen oder kleine Teams wenig Zeit für Social Media & Content Marketing haben und nur „ab und zu“, „wenn man grad mal Zeit hat“ oder „wenn man gerade eine Idee hat“ posten, ist klar, dass da nix dolles bei rum kommt. Aus diesem Teufelskreis muss man einmal aussteigen und sich Zeit für die Strategieentwicklung nehmen.
Wenn man die Klarheit einer Strategie hat, dann ...
- weiß man, welche Themen wirklich wichtig sind (und ist dadurch motivierter, die Zeit wirklich reinzustecken)
- lässt man sich weniger von Trends ablenken und verunsichern
- kann man Inhalte vorproduzieren und vorplanen – das spart dann wirklich Zeit.
Man muss das System quasi einmal aufsetzen. Es dann am Laufen zu halten, geht auch mit wenig Zeit und Ressourcen. Dafür setze ich auf Content Recycling (also wichtige Themen lieber immer erst als Long Form Content aufzusetzen und daraus Microcontent abzuleiten) und auf das Entwickeln wiederkehrender Formate.
Wenn dieses System einmal läuft, muss man sich nicht mehr montags fragen „Hmm, was posten wir diese Woche?!“.
Du sagst, in der Microcontent-Werkstatt arbeitest du mit bestehendem Content der Teilnehmer*innen. Wie entscheidest du gemeinsam mit ihnen, welches Material recycelt werden kann und welche Kriterien dabei wichtig sind?
Ich überlasse es normalerweise den Teilnehmer:innen, was sie mitbringen. Für die Entscheidung gebe ich diese Leitfragen mit:
Frage 1: Was zählt gerade auf die Organisationsziele ein?
- Zum Beispiel: Welches Angebot will ich gerade bewerben? Suche ich als Verein gerade eher nach Mitgliedern oder Vereinen? Für welches Thema will ich meine Thought Leadership stärken?
- Gut geeignet: passende Websitetexte; Long Form Content; Webinaraufzeichnungen; PR…
Frage 2: Was ist inhaltlich auch in Monaten und Jahren noch relevant?
- Zum Beispiel: Welches Projekt wird noch eine Weile laufen? Was passt zum Fokus der nächsten Zeit? Was ist „evergreen“?
- Gut geeignet: Websitetexte/Content zu Evergreen-Themen wie eigene Methodik, Framework, Werte, Herangehensweise usw.
- Nicht gut geeignet: Pressemitteilungen; Case Studies oder Testimonials zu Dienstleistungen, die man eigentlich nicht mehr anbieten will; Berichte zu abgeschlossenen Projekten;
Frage 3: Welche Form ist „ergiebig“?
- Gut geeignet: honestly: je ausführlicher, desto besser. Websitetexte, Interviews, sehr mehrwertlastige Beiträge (z.B. praktisches Tutorial oder inspirierender Meinungsbeitrag).
- Nicht gut geeignet: Fachartikel, die man nicht kürzen oder umformulieren kann, ohne Gefahr zu laufen, den Sinn zu verfälschen; Schritt-für-Schritt-Anleitungen; zu werblicher Content (z.B. Programmheft)
Du gibst in Interviews an, dass Microcontent nicht nur „kurz sein muss“, sondern auch einen Mehrwert bieten sollte. Wie sorgst du dafür, dass der recycelte Content nicht abgenutzt wirkt? Und welche Rolle spielen dabei kleine Anpassungen wie neue Beispiele oder visuelle Updates?
Also zunächst: Ich finde „abgenutzt“ relativ. 😊 Meistens denkt man selber, dass man Sachen nur 2 oder maximal 3 Mal reposten kann, weil die Leute das ja sonst steeerbenslangweilig finden. In der Realität merken viele Leute gar nicht, dass man etwas gerepostet oder anderweitig recycelt hat. Bis die Leute dann gar negative Konsequenzen ziehen (zum Beispiel entfolgen), dauert es echt lange.
Ich erzähl dafür gern ein Beispiel: Kennt ihr noch das VICE Magazin? Da haben damals auf Facebook immer ihre alten Artikel nochmal gepostet. Und regelmäßig kamen dann Kommentare alá „Schon wieder die Swingerclub-Reportage?“ oder „Wie oft wollt ihr das dieses Ahuyasca-Selbstexperiment noch posten!?“.
Sprich: Die Leute haben schon gemerkt, dass da immer wieder das gleiche gepostet wurde, und sie haben ihrem Ärger Luft gemacht. Aber sie waren immer noch da 😉 Denn sie wollten ja auch die neuen Artikel sehen.
So, jetzt war ich aber selber ein Negativbeispiel: Denn das VICE Magazin ist zwischendurch eingestellt und viele Leute in meinen Workshops nutzen auch Facebook als Privatperson gar nicht mehr. Damit entfaltet das Beispiel nicht mehr die Wirkung, die es haben sollte, und ich sollte mir ein Neues ausdenken.
Also, als Antwort auf deine Frage: Neue, frische Beispiele oder Kontextbezüge sind immer gut. Dinge, die den Content eindeutig als alt labeln (zum Beispiel popkulturelle Referenzen, die out sind, oder sowas wie „Kanzlerin Merkel“, wenn Angie schon lange im Ruhestand ist) müssen raus. Aber grundsätzlich nutzt sich guter Content meiner Meinung nach nicht so leicht ab.
Viele Content Creator*innen kämpfen damit, den Überblick über ihre bestehenden Inhalte zu behalten. Welche einfachen Routinen oder Systeme empfiehlst du, um regelmäßig Potenzial fürs Recycling zu entdecken, ohne dass es zur Last wird?
Also, ich könnte jetzt ein tolles System empfehlen. Aber stattdessen will ich eine Anekdote erzählen. Ich habe einen Bekannten, der Softwareentwickler ist und von seiner App lebt. Als ich ihn fragte, wie er mit Feedback und Feature-Wünschen umgeht (Stichwort Ideensammlung, Stichwort Roadmap), grinste er und meinte: In der IT braucht man sowas nicht. Wenn wirklich ein wichtiges Feature fehlt, dann wird man dafür so viele Anfragen bekommen, dass man es nicht vergessen kann. Wenn ein Featurewunsch hingegen nur ein Mal von einer Nutzerin geäußert wird, lohnt sich der Programmieraufwand nicht.
Dieser Spruch (den er sich sicher nicht ausgedacht hat – scheint eine alte IT-Weisheit zu sein) lebt seitdem mietfrei in meinem Kopf. In Bezug auf Content Recycling:
- Kommt es vor, dass man immer wieder Fragen zu einem Thema bekommt?
- Dass ein Thema gerade diskutiert wird und man die eigene Perspektive dazu (nochmal) teilen will?
- Welche Saisons gibt es im Leben der Zielgruppen?
Wenn man selbst also denkt „Mensch, ich seh grad viel über X. Dazu hab‘ ich doch mal diesen Blogpost geschrieben, den ich wieder rauskramen und recyceln sollte…“ dann ist das ein gutes Zeichen, dem nachzugehen. 😊
Was ist der beste Projektstart für Content Recycling und Microcontent, um Verbesserungen sichtbar und motivierend zu machen? Welches Format oder welcher Kanal ist dafür geeignet? Wie viel Zeit und Aufwand sind erforderlich?
Kanal- und Formatfragen sind ja immer höchst individuell. Deswegen würde ich Kund:innen da als Frage mitgeben: Wie sicher bist du dir schon, dass ein Kanal und Format gut funktioniert, oder wie sehr willst du ein Experiment eingehen?
Sprich: machen wir mehr von dem, was schon gut geht; oder bilden wir Hypothesen und schauen, ob die Hypothese bestätigt wird oder nicht?
Wenn man neu ins Content Recycling einsteigt, würde ich vorschlagen:
- Schnapp dir drei Ausgangscontent-Pieces (z.B. Blogpost, Websitetext, Broschüre), die für dich gerade inhaltlich relevant sind und deine Businessziele unterstützen.
- Nimm dir pro Piece circa 45-60 Minuten Zeit, um es durchzugehen und alle Microcontent-Ideen zu identifizieren.
- Setze dann deine Top 3 bis 10 davon um und erstelle den Microcontent. (Hier kann ich keine Zeit nennen, wie lang das dauert, sorry 😊 Kommt drauf an, wie man es dann machen will; ob man Vorlagen dafür hat; wie viel Skill man hat…)
- Das gibt schonmal eine erste Basis, um
(a) zu reflektieren, was einem selber im Content Recycling Prozess gut oder nicht so gut gefällt;
und (b) herauszufinden, wie dieser Microcontent ankommt.